Erlebe eine Waldweihnacht-Geschichte von Glauben, Liebe, Mut und Freundschaft
Das Waldkind und das Mäusle Wer jemals in einem Wald umhergelaufen ist weiß,
wie still und friedlich es dort ist. Im Wald herrschen andere Gesetze als die
der Menschen. Wenn Menschen in den Wald gehen, dann besuchen sie nur diese
Stille, manchmal stören sie sie sogar und die wirklichen Bewohner, die Tiere,
verstecken sich dann, tief im Schutze der Bäume. Diese Bewohner sind wie eine Familie.
Sie gehören alle zusammen - auch wenn nicht alle Freunde sind.
Weihnachten ist eine ganz besondere Zeit für
die Tiere im Wald. Viele Wochen davor beginnen sie alle mit den Vorbereitungen
zu dieser besonders stillen Zeit. Die Tiere wissen, dass wenn Frost und Schnee
kommen, sie gewappnet sein müssen, um diese Kälte zu überleben, denn dann gibt
es nicht genug zu essen im Freien.
Besonders
die Nagetiere sind fleißig am Sammeln. Bereits schon im Herbst beginnen sie
damit, ihre Wohnungen, die tief in der Erde liegen, mit gesammelten
Köstlichkeiten zu füllen. Alle springen dann aufgeregt hin und her, um die
größten Leckerbissen zu erhaschen. In diesem Wald gab es ein kleines Mäusle, dass
überhaupt kein Interesse am Sammeln hatte. Es spielte oder lag ganz gemütlich
im Gras und machte sich über die Anderen lustig.
„Ihr macht vielleicht ein Theater!“ lachte das
Mäusle. „Das wäre mir doch viel zu blöd mich so abzurackern.“
Die anderen Mäuse schauten es böse an und
schüttelten die Köpfe.
„Du wirst schon sehen, du faule kleine Maus!
Du bist doch erst im Frühjahr geboren worden. Du hast ja keine Ahnung, wie
schlimm so ein Winter sein kann.“ „Ja,
ja…“ Das Mäusle winkte gelangweilt ab. „Meine Mama hat mir gesagt, dass ich
alleine sammeln muss. Ich habe auch schon eine eigene Wohnung! Da liegt genug zu essen drin.“ Oben im
Baum saß ein Eichhörnchen. Langsam kletterte es zum Mäusle hinunter.
„Hör mal, kleines Mäusle, ich meine es gut
mit dir. Ich bin schon ziemlich alt und spüre, dass dieser Winter sehr schlimm
werden wird. Ich habe schon oft erlebt, wie so ein kleiner Angeber wie du einen
Winter nicht überlebt hat. Hör auf mich, du musst viel mehr sammeln.“ „Ja, ja…“ Das Mäusle gähnte. „Ich habe noch Zeit.“ Das
Eichhörnchen schnupperte in die Luft.
„Ich kann den Schnee schon riechen, der Winter
wird bald kommen.“
Das
Mäusle lachte nur. „Ha! Ich rieche gar nichts. Jetzt lass mich in
Ruhe!“ Da kam ein Waldhase mit seiner Familie vorbei
und schüttelte den Kopf.
„Lass ihn doch, wenn er glaubt so schlau zu
sein. Das Mäusle wird schon sehen, was es davon hat.“
Eines Morgens wachte
das Mäusle in seinem Bau auf und merkte, dass es noch ganz dunkel war.
Das Loch
nach außen war voller Schnee, der das Licht blockierte. Das Mäusle grub sich seinen
Weg durch den Schnee, bis es oben an der Oberfläche herauskam. Da schaute es
mit großen Augen um sich. Alles war mit einer dicken Schneedecke zugedeckt und
eine unheimliche Stille breitete sich vor dem Mäusle aus. Es schaute nach
rechts…nur Schnee…nach links…alles nur Schnee. Keine Erde, keine Blätter und
auch kein Tier waren zu sehen. Alles nur Schnee und Eis und es war klirrend
kalt.
Das
Mäusle ging bibbernd in seinen Bau zurück. Es hatte auch kein Stroh gesammelt
um warm schlafen zu können. Das Mäusle schaute auf sein kleines Häufchen Vorrat
in der Ecke.
„Ich werde es eben schön einteilen, nur jeden
Tag ein bisschen“, dachte das Mäusle und kroch zitternd in eine Ecke. Doch auch wenn das Mäusle jeden Tag nur ein
bisschen aß, der Vorrat war so klein, dass bald nichts mehr da war. Immer wenn
das Mäusle hinaus krabbelte, um zu sehen, ob der Schnee weg war, sah es aus,
als wäre sogar noch mehr dazu gekommen. Langsam aber sicher, verhungerte das
kleine Mäusle. Eines Morgens hielt es das Mäusle nicht
mehr aus. Sein kleiner Bauch war ganz eingefallen und es fühlte sich schwach
und elend. Es krabbelte aus der Wohnung und suchte den Weg zu seinen Eltern. Sie
würden ihm ganz bestimmt helfen. Das Mäusle schleppte sich durch die Massen von
Schnee und versuchte den richtigen Pfad zu finden. Es rief mit ganz schwacher
Stimme: „Mama, Papa, wo seid ihr denn? Bitte helft mir…“
Aber es
war nichts zu sehen. Alle Eingänge der Mäusewohnungen waren zugedeckt. Als das
Mäusle sich umdrehte, um zurück zu seiner Wohnung zu gehen, konnte es auch diesen
Weg nicht mehr finden. Auch sein Wohnungseingang war verschwunden und das
Mäusle stand allein im eiskalten Schnee und wusste nicht wohin. Als es so
dastand, wurde es auf einmal von hinten gepackt. „Na schau mal was ich hier
habe!“
Ein Fuchs hielt das Mäusle zwischen den
Pfoten.
„Ein
blödes, kleines Mäusle, das ganz allein im Schnee herumläuft.“ Der Fuchs hielt
das Mäusle hoch, ganz dicht vor seine Augen. „Na, du
bist ziemlich abgemagert, aber ein kleiner Bissen ist besser als gar keiner.“ Der Fuchs
sperrte den Mund auf und wollte das Mäusle fressen, als er auf einmal einen
Schlag auf den Kopf bekam, so dass er das Mäusle zurück in den Schnee fallen
ließ.
„Aua!“ schrie der Fuchs. „Was ist los? Mama,
warum hast du mich geschlagen?“
Da stand
die Mutter des Fuchses auf einmal neben ihm und schaute ihren Sohn zornig an. Es
war nämlich ein kleiner Fuchs, der mit seiner Mutter unterwegs war.
„Habe ich dir nicht erst heute Morgen erzählt,
dass es verboten ist, am Heilig Abend ein anderes Waldtier zu töten?“
Die Füchsin schnaubte so sehr, dass ihr Atem
große Dampfwolken in der Luft hinterließ.
„Ach so, ja…habe ich vergessen.“ Der kleine Fuchs rieb sich am Hinterkopf. „Aber warum? Was macht das denn schon?“
„Hörst du mir denn überhaupt nicht zu?“ Die
Füchsin seufzte. „Es ist das Gesetz des Waldes. Das Waldkind hat diese Regel
vor langer Zeit festgesetzt. Jetzt lass das Mäusle in Ruhe und komm weiter.“
Die beiden Füchse gingen weiter und das Mäusle
blieb verwundert zurück.
„Was
ist denn ein Waldkind?“ fragte es sich leise.
Oben auf
einem Baum saß eine kluge Eule und hatte alles beobachtet.
„Du bist wirklich ein dummes Mäusle, “ sagte
sie leise.
Das Mäusle
schaute hoch. „Sag nur, dass du mich heute auch nicht
fressen willst.“
„Natürlich
nicht“, antwortete die Eule. „Ich kenne das Gesetz auch. Heute ist doch Heilig
Abend.“
„Na
ja, ich kenne zwar dieses Gesetz nicht und auch kein Waldkind, aber ich bin
froh, dass es so ist“, meinte das Mäusle erleichtert.
Die Eule
schaute mitleidig auf ihn herunter. „Kleines
Mäusle, es scheint nur ein Aufschub für dich zu sein. Du bist verloren allein
in dieser Kälte, du wirst den Heilig Abend sowieso nicht überleben.“
Das Mäusle schluckte schwer. Dicke Tränen kullerten
aus seinen Augen und froren gleich auf seinem Gesicht fest. Es drehte sich weg
von der Eule und lief weiter.
„Schade, dass du nicht an das Waldkind glaubst“,
meinte die Eule. „Das Waldkind ist der Beschützer aller Waldtiere, die in Not sind.“ Das Mäusle hörte die Worte der Eule nur
noch schwach. Ein eiskalter Wind pfiff in sein kleines Gesicht und es spürte,
wie seine Füße immer schwerer wurden. Bald wurde es dunkel und das Mäusle konnte
nicht mehr laufen. Es rollte sich eng im Schnee zusammen, machte die Augen zu
und wartete auf seinen Tod.
Auf einmal spürte das Mäusle ein warmes
Licht auf seinem kleinen Gesicht. Es öffnete ganz schwer die Augen und sah
einen strahlenden Stern am Himmel. Dieser Stern leuchtete auf einen Weg im Wald
und das Mäusle zwang sich wieder aufzustehen und auf diesen Weg zu gehen. Es
lief wie im Traum den Weg entlang, bis es plötzlich vor einem kleinen Häuschen
stand. Es konnte kaum glauben, was es da sah. Dort war eine große Futterkrippe,
gefüllt mit Heu und Körnern und viel warmes Stroh zum hinein kuscheln. In dieser Krippe waren bereits andere Tiere.
Ein Rehkitz, ein Häschen, ein Eichhörnchen, ein Fuchskind und eine kleine Eule.
Mitten zwischen den Tieren konnte das Mäusle etwas anderes entdecken. Es ging
ganz vorsichtig näher und erkannte, dass es ein Menschenkind war. Das Kind
streckte eine Hand nach dem Mäusle aus und lächelte ganz lieb. Da wurde es dem
Mäusle bewusst: Es war das Waldkind! Das Kind das die Waldtiere in Not
beschützte.
„Es tut mir so leid“, heulte das Mäusle reumütig.
„Ich weiß, ich bin selbst Schuld, liebes Waldkind, aber bitte hilf mir den
Winter zu überleben.“
Das Kind streichelte sanft über das Mäusle
und es beruhigte sich sofort. Es kuschelte sich nah an das Kind und fühlte sich
so geborgen.
„Danke liebes Waldkind…“ murmelte es vor sich
hin. „Ich glaube jetzt ganz fest an dich.“
Das Mäusle schlief wieder ein, diesmal warm
und zufrieden.
Da fühlte das Mäusle auf einmal, wie etwas an
ihn rüttelte. Von ganz weit her hörte es Stimmen, die immer riefen: „Wach auf, kleines Mäusle, wach auf!“
Da machte es wieder ganz schwer die Augen
auf und sah viele Tiere um sich herum versammelt. Es waren seine Eltern,
Geschwister und Freunde. Auch andere Tiere wie das Eichhörnchen, das ihn vor
dem Winter gewarnt hatte und auch die Hasenfamilie waren da. Sogar der kleine
Fuchs, der ihn fressen wollte und die kluge Eule, die ihm vom Waldkind erzählte
hatte. „Was… ist…denn…los…“ Das Mäusle kam langsam zu
sich.
„Ach, mein kleiner Dummkopf“, die Mäuse Mama
seufzte erleichtert. „Du lebst ja! Wir haben dich rechtzeitig gefunden.“
Das Mäusle setzte sich auf. „Gefunden?“
„Ja, die Füchsin und die Eule haben uns
erzählt wie du im Schnee herumgeirrt bist und da sind wir alle hinausgegangen
um dich zu suchen. Wir wollten alle nicht, dass du ausgerechnet an Weihnachten
allein und verlassen hier draußen sterben musst.“
„Auch
wenn er selbst Schuld ist!“ fügte der Hase noch hinzu. „Aber…ich war doch schon sicher“, sagte das
Mäusle leise. „Ich war beim Waldkind in der Futterkrippe.“
Alle Tiere schauten das Mäusle erstaunt an. „Aber
wir haben dich hier im Schnee gefunden, wo du schon die ganze Nacht liegst. Es
ist ein Wunder, dass du die Nacht überlebt hast. Es ist bereits Weihnachtsmorgen.“
„Nein…das
stimmt nicht.“ Das Mäusle schüttelte den Kopf. „Ich war beim Waldkind.“
„Aber Kleines.“ Die Mama streichelte das
Mäusle am Kopf. „Das Waldkind gibt es nicht wirklich. Es ist nur eine
Geschichte, die wir uns alle ausgedacht haben, um Weihnachten ein bisschen schöner
und freundlicher zu machen.“
„Doch! Es ist wahr! Ich war dort! Das Waldkind
hat mich gerettet und ich glaube daran.“
Alle Tiere schauten sich kopfschüttelnd
an.
„Ist ja gut“ sagte die Mama. „Komm mit uns
zurück! Wir feiern jetzt alle zusammen Weihnachten. Du darfst auch bei uns
überwintern und mit uns essen bis zum Frühjahr.“
Das Mäusle ging mit seiner Familie zurück
zum warmen Bau. Auch wenn alle andere Tiere weiterhin behaupteten, dass das Mäusle
alles nur geträumt hatte, behielt das Mäusle seinen Glauben an das Waldkind.
Wie
sonst hätte es die ganze Nacht am Leben bleiben können?
Es
war sich ganz sicher, dass es einen guten Geist im Wald gab, der
seine Hand schützend über alle Tiere hielt, die
in Not waren.